Das Hemithea-Heiligtum in Kastabos auf der Karischen Chersones
Die Karische Chersones ist eine südlich von Halikarnassos gelegene Halbinsel. In der klassischen Antike gab es dort ca. 20 kleine Siedlungen, die einen politisch eigenständigen Bund bildeten. Als die Halbinsel im Hellenismus zum Gebiet der griechischen Polis Rhodos wurde, pflegten die Chersonesier ihre Tradition des Bundes weiter, obwohl der zu diesem Zeitpunkt bereits politisch bedeutungslos geworden war. Das Heiligtum der Hemithea in Kastabos wurde im frühen 3. Jh. v. Chr. mit einem Tempel und einem Theater monumental ausgebaut. Deshalb stellt sich die Frage, ob das Heiligtum in Kastabos als religiöses und politisches Zentrum des Bundes genutzt wurde.
Auf einem Felsrücken im Nordosten der Gesamtanlage liegt die ca. 54 x 34 m große Tempelterrasse als repräsentativer Kern des Heiligtums. Dort thront von weitem sichtbar der ionische Peripteros aus frühhellenistischer Zeit. Der Tempel ist von einer Reihe kleiner Bauten umgeben, die in eine – auf drei Seiten die Terrasse begrenzende – Balustrade eingesetzt sind.
In zwei kurzen Grabungskampagnen in den Jahren 1959/60 wurde die Bebauung auf der Tempelterrasse durch die britischen Archäologen J. M. Cook und W. H. Plommer in weiten Bereichen freigelegt, aber nur unzureichend dokumentiert und publiziert.
Auf Grundlage einer umfangreichen neuen Dokumentation des gesamten Ortes soll die Entwicklung der Anlage vom lokalen Kultplatz zum – bei Diodor erwähnten – überregionalen Pilgerheiligtum dargestellt werden. Ziele der Dissertation sind die Einordnung des Heiligtums in den Kontext chersonesischer, karischer und rhodischer Heiligtümer sowie darüber hinaus seine Bedeutung im Hinblick auf eine mögliche Funktion als Bundesheiligtum.
Die Feldarbeiten finden im Rahmen eines vom Archäologischen Seminar der Philipps-Universität Marburg durchgeführten Surveys unter der Leitung von Prof. Dr. Winfried Held statt und werden von der Deutschen Forschunggemeinschaft (DFG) im Schwerpunktprogramm 1209 “Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Struk-turen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel” gefördert.