Die Ritzmarken der ägyptischen Frühzeit
Während der „Nullten“ bis Zweiten Dynastie (um 3100-2700 v. Chr.) in Ägypten, annähernd zeitgleich mit der Einführung der Hieroglyphenschrift und der Entwicklung regionaler Fürstentümer zum ersten Flächenstaat, fand auf Keramikgefäßen ein Notationssystem aus – vor dem Brennen in den Ton eingeritzten oder nach dem Brand eingesägten – graphischen Zeichen Verwendung. Derartige Markierungen treten sowohl auf stark normierten Vorratsgefäßen als auch auf Importgefäßen, Geschirr und Brotbackformen auf. Bedeutung und Funktion dieses Notationssystems sowie sein Verhältnis zur Hieroglyphenschrift sind ungeklärt. Das Projekt analysiert die etwa 6000 derzeit bekannten Belege mit Blick auf ihre zeitliche Entwicklung, ihre jeweiligen Herkunftsräume, ihre Verwendung auf unterschiedlichen Gefäßtypen, den Stellenwert der so markierten Gefäße im Wirtschaftssystem Ägyptens sowie Entstehung und Ende dieses Systems. Da die meisten Marken auf sehr einheitlichen Gefäßen aus mutmaßlich staatlichen Produktionsstätten angebracht und diese mit Siegeln staatlicher Einrichtungen verschlossen waren, wird das Projekt dazu beitragen, Einblick in die sich entwickelnde Organisation der Wirtschaftsverwaltung zu erlangen. Ebenso werden unsere Kenntnisse über die Zusammenhänge zwischen der an Bedeutung gewinnenden Hieroglyphenschrift und einem möglicherweise autarken Notationssystem erweitert.