Agrarwelten Mesopotamiens
Die Archäologie Mesopotamiens ist maßgeblich von der Erforschung städtischer Räume und des in diesen Räumen gepflegten Bildes von Landwirtschaft geprägt. Selten gibt es direkte und ungefilterte Einblicke in ländliche Strukturen, die Umweltnutzung dieser dörflichen Gemeinschaften und ihre Diversität in den verschiedenen Öko- und Klimazonen Mesopotamiens.
Mit den Grabungen am Fundort Gird-i Shamlu, Provinz Sulaymaniyah (Kurdistan Region of Iraq) konnte erstmals eine dörfliche Siedlung deren Standbein die Landwirtschaft bildet, untersucht werden. Die Grabungen wurden 2015-2019 im Rahmen eines an der LMU München angesiedelten Emmy Noether Projektes (Flucht – Migration – Interaktion. Artefaktbezogene Diversität in altorientalischen Kontexten des 3. und 2. Jahrtausends v. Chr.) durchgeführt. Der Fundort offenbarte dabei eine Besiedlungsgeschichte, die ihren Anfang Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. nimmt und mit mehreren kurzen Unterbrechungen bis in das 1. Jahrtausend v. Chr. beziehungsweise auch in der früheren Neuzeit belegt ist. Die Grabungen liefern Einblicke in verschiedene ländliche Gemeinschaften, die an diesem Ort auf unterschiedliche Art und Weise mit Städten im Umland interagierten, unterschiedliche landwirtschaftliche Ressourcen nutzten und auch deutlich Abhängigkeiten aufzeigen, in denen staatliche Kontrolle beziehungsweise ihr Fehlen sichtbar werden.
Im Projekt Agrarwelten Mesopotamiens werden naturwissenschaftliche Untersuchungen an Funden dieser Grabung durchgeführt und solchen gegenübergestellt, die aus urbanen Metropolen wie Uruk im Süden des Irak stammen, mit dem Gird-i Shamlu oberflächlich gewisse Übereinstimmungen in Fundkomplexen verschiedener Zeitabschnitte hat. Maßgebilich sind dies Untersuchungen an botanischen Makroresten, Tierknochen aus Schlacht und Konsumabfällen, Phytolithenuntersuchungen sowie anthropologische Analysen.