Aitiologien: Figuren und Funktionen begründenden Erzählens in Wissenschaft und Literatur

Die Forschungsgruppe Aitiologien perspektiviert die Faszination von Anfängen und die Suche nach Ursprüngen vom Standpunkt ihrer gegenwärtigen und retrospektiven Konstruktion und Funktionalisierung. Anfangsgeschichten – mit dem heuristischen Instrument der Aitiologie (der Erzählung von Anfang, Grund und Ursache) betrachtet – enthalten politische, ästhetische, religiöse, lebenswissenschaftliche Programme für die jeweilige Gegenwart, die sie begründen. Untersucht werden Kosmologien, Schöpfungserzählungen, literarische und wissenschaftliche Urszenen sowie politische Gründungsnarrative, mit Blick auf ihre jeweiligen Zeit-Rhetoriken. Der argumentative Grundton aitiologischer Narrative lenkt die Aufmerksamkeit dabei auf die Schnittstelle von Literatur und Wissenschaft und rückt Wissensdiskurse in der Literatur sowie die Fiktionalisierung wissenschaftlicher Hypothesen in den Fokus. Dabei wird stets gefragt, ob Anfänge ideologisch oder metaphysisch auratisiert werden oder ob (und wie) literarische Verfahren eher einer Entauratisierung zuarbeiten, die Linearität und Kausalität in Frage stellt. Die Fokussierung auf Anfänge verbindet das Forschungsprogramm schließlich mit dem aktuellen Interesse an zu Ende gehenden Zeitaltern der Erdgeschichte und ihrer je eigenen Aitiologie – sowohl in ästhetischen als auch in politischen Diskursen.

Eintrag bearbeitet: 02-08-2023