Die „Reformtexte“ des Urukagina im Spiegel gleichzeitiger Urkunden (A01)
Wissenswandel im Bereich des Rechts lässt sich um 24. Jh. v.Chr. am Beispiel des sumerischen Lagaš untersuchen. Während Herrscherinschriften die politisch-historischen und ideologischen Rahmenbedingungen illustrieren, dokumentieren Urkunden paradigmatisch die sozio-ökonomischen Aspekte eines Großhaushaltes, der zunächst als „Haus(halt) der Frau (des Stadtfürsten)“, unter Urukagina aber als „Tempel der (Göttin) Babu“ erscheint. Die Erklärung hierfür liefern die Reformtexte: Urukagina rühmt sich, Missstände wie überhöhte Abgaben, Übergriffe durch Funktionäre und Amtswillkür beseitigt und die Götter wieder als Eigentümer der säkularisierten Großhaushalte eingesetzt zu haben. Die bisherige Forschung betrachtet die Reformtexte zumeist als sozialpolitische Topoi der Herrscherlegitimation. Das Unterprojekt untersucht die Reformtexte jedoch im Spiegel der Urkunden und vertritt These, dass sich die Reformtexte als nahezu kasuistische Erlasse auf dieselben Bereiche wie die Urkunden beziehen und durch bewusstes Abwägen und Argumentieren für Veränderung ein frühes Zeugnis normativer, autoritativer Diskurse und Verschiebungen institutioneller bzw. sozialer Ordnungen zwischen Rechtspraxis und Rechtssammlung darstellen. Mit dem Electronic Text Corpus of Sumerian Royal Inscription wird eine Neuedition angestrebt.